Abdruck aus:

Optische Erfindungen von der Lochkamera zum Wanderkino
mit Beiträgen zur Kinogeschichte in Schwaben.

Schriftenreihe der Museen des Bezirks Schwaben,
herausgegeben von Hans Frei, Band 11.

© Museumsdirektion des Bezirks Schwaben, Gessertshausen 1995.
Zitate bitte mit genauer Quellenangabe "Forschungsstelle Mediengeschichte im internet, Universität Oldenburg" .Übernahme von Grafiken nur nach vorheriger Absprache

Wir danken der Museumsdirektion des Bezirkes Schwaben für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung der Beiträge.

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Monika Kolb

Zwischen "Spartakisten" und "Schwarzwaldmädel"

Kinogeschichte in Weißenhorn 1919-1968

In Weißenhorn begann das Zeitalter der laufenden Bilder im Jahr 1919. Der 35jährige Anton Wagner, gebürtiger Münchner und Gastwirt in Weißenhorn, der ebenfalls 35jährige Fabrikant Anton Kling aus Sausenthal und der gebürtige Weißenhorner Franz Lense jr., 34 Jahre alt und Kaufmann, stellten am 5. Februar 1919 an den Stadtmagistrat das "Gesuch um Ueberlassung des Stadttheaters behufs Eröffnung eines Lichtspieltheaters".1 Diese drei Kinopioniere beabsichtigten zunächst, zweimal in der Woche eine Filmvorführung unter dem Namen Rothtallichtspiele anzubieten. Für die Kosten der notwendigen baulichen Veränderungen im Stadttheater wollten sie selbst aufkommen. Am 10. Februar stimmte der Stadtmagistrat und am 17. Februar das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten dem Antrag unter der Bedingung zu, "dass auch die hiesigen Vereine sowie eventuell eine Theatergesellschaft das Theater nützen können".2 Bereits am 7. März 1919 erhielten Wagner, Kling und Lense die ortspolizeiliche Genehmigung "zur Veranstaltung von Lichtspielen unter der Bezeichnung Rothtal-Lichtspiele"3, und zwar unter folgenden Bedingungen:

"a) Vor Inbetriebsetzung der Lichtspiele sind die an der Westseite des Theaters befindlichen Freitreppen- Podeste zu erneuern; ferner ist auch die Freitreppe wieder anzubringen.

b) Die Zu- und Ausgänge des Theaters müssen bei Kasseneröffnung bis nach Vorstellungsschluß an der Außenseite gut beleuchtet und für den ungehinderten Ein- und Ausgang stets freigehalten werden.

c) Das Rauchen im Theaterraum sowie im Warteraum ist verboten. Entsprechende Plakate sind anzuschlagen.

d) Zwei Handschnellfeuerlöschapparate sind aufzustellen.

e) Für Feuerwehrleute und Polizeiorgane sind zwei Sitzplätze (an der Außenseite) bei jeder Vorstellung freizuhalten.

f) jeder Bildstreifen ist vor der öffentlichen Vorführung dem Magistrate zur Prüfung vorzulegen. Zur öffentlichen Vorführung werden nur solche Bildstreifen zugelassen, die mit den amtlichen Prüfungskarten der Polizeidirektion München belegt sind und bei denen gegebenenfalls die nach den Prüfungskarten vorzunehmenden Ausschnitte betätigt sind.

g)
Weitere Auflagen und Bedingungen bleiben vorbehalten."

Diese Auflagen zeigen deutlich auf, was die Obrigkeit am meisten fürchtete: zum einen die Feuersgefahr und zum anderen staatsfeindliche oder unsittliche Tendenzen. Der Pachtvertrag wurde am 7. Februar abgeschlossen. Die Pachtzeit war zunächst befristet auf die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 1919 gegen einen Betrag von zehn Mark je Vorstellung.4

Die erste Filmvorführung wurde in der Lokalzeitung für den 24. Mai 1919 angekündigt; "Wie schon gemeldet wird unter dem Namen ,Rothtal- Lichtspiele' ein Kino- Unternehmen dahier ins Leben gerufen. Heute Samstag abends 8 Uhr findet nun die Eröffnungsvorstellung statt. In diesen bewegten Zeiten wird es mancher als eine Wohltat empfinden auf eine kleine Weile eine Zerstreuung und köstliche Unterhaltung zu finden. Möge dem Unternehmen stets ein volles Haus beschieden sein."5


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Auf dem Programm standen das "ergreifende" Drama Weil ich dich liebe!, nach Motiven aus Das Vierte Gebot von Lola Stein, sowie das Lustspiel Dona Lucia von Siegfried Carlsen. Die Betreiber gaben ihrem Publikum zur Kenntnis, daß "sie ein der Neuzeit entsprechendes Lichtspiel-Theater eröffnet" hatten, das mit "den modernsten Apparaten der Kino-Technik ausgerüstet" sei. (Abb. 1). Drei Tage später wurde in der Zeitung bedauernd gemeldet: "Leider war es nicht möglich, die für diese Tage anberaumten Vorstellungen aufzuführen. Infolge der abnormen Spannungen haben sich technische Schwierigkeiten ergeben, die hoffentlich bald behoben werden können."6

Am 1. Juni 1919 war es dann endlich soweit. Zur Eröffnung der Rothtal- Lichtspiele standen auf dem Programm das Drama Prozeß Hauers und das Lustspiel Adolars Bühnenlaufbahn: "Nachdem nun alle technischen Schwierigkeiten behoben sind, verspricht die kommende Vorführung mit ihrem abwechslungsreichen Programm sehr viel, weshalb sich ein Besuch gewiß lohnen dürfte. Selbst der verwöhnteste Kinobesucher mußte bei der Erstaufführung am Sonntag sein vollstes Lob aussprechen."7

Für die darauffolgenden Pfingstfeiertage standen neben dem Drama Satans Opfer ein amerikanischer Monumentalfilm, das Lustspiel Listjunge sowie der Streifen Straßenkämpfe der Spartakisten und Regierungstruppen in München auf dem Programm.8 Dieser Film aus den "letzten Tage[nl der Räteherrschaft in unserer Hauptstadt" war wohl der erste Dokumentarfilm, der in Weißenhorn gezeigt wurde. Die Vorstellungen an diesen Tagen fanden am Samstag um 20 Uhr und am Sonntag und Montag um 15.00 Uhr und um 20.00 Uhr statt. In der Regel wurden aber nur samstags und sonntags Vorführungen gegeben, die jeweils aus einem ernsten und einem humoristischen Teil bestanden.

Dem Kinounternehmen der drei Weißenhorner war jedoch kein großer Erfolg beschieden. Ende Juni 1919 verhandelten sie mit der Stadt um die Verlängerung des Pachtvertrags um zwei weitere Jahre: "Um das Unternehmen rentabler zu gestalten sehen wir uns veranlaßt an der Stelle der teuren Einzelnfilmmiete einen günstigen Lieferungsabschluß von 100 Programmen = 100 Wochen einzugehen.


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Vor definitiver Auftragserteilung an die Film- Vertrieb- Firma benötigen wir die Sicherheit, auch über den 1. Oktober 1919 hinaus das Stadttheater benützen zu dürfen und ersuchen um weitere Verlängerung des Pachtvertrages bis 1. Oktober 1921."9

Dem Gesuch wurde zwar entsprochen, doch gaben Anton Wagner, Anton Kling und Franz Lense ihre Pläne auf. Die letzten Vorstellungen unter ihrer Direktion fanden am 6. und 7. Juli 1919 statt. Bereits Anfang August gingen die Rothtal Lichtspiele in den Besitz des Münchner Kinobetreibers Fritz Meisel* über. Ihm war das Stadttheater für die Zeit vom 9. August 1919 bis zum 30. September 1921 "zur Veranstaltung von Lichtspielen" verpachtet worden."10 Sein Eröffnungs-Programm sah die Aufführung des Dramas Die Sereny und das Lustspiel Versandte Verwandte vor. (Abb. 2). Als Einlage wurde die Humoreske Ist das mein Hut präsentiert. 11

Als Neuerung führte Meisel für Sonntag nachmittags ein Kinderprogramm ein und zeigte in der Regel als Einlagen Filme mit Naturaufnahmen aus aller Welt. Vom 26. bis 28. Dezember 1919 gab es eine Wohltätigkeitsvorstellung, deren Reinerlös "zum besten der Errichtung eines Krieger- Denkmals in Weißenhorn" 12 dienen sollte. Um sein Unternehmen rentabler zu machen, beabsichtigte er zusammen mit zwei Vereinen die Vergrößerung der Galerie. Dies wurde aber von der Stadt abgelehnt, "da hiedurch das Innere des Theaters verunstaltet werden würde."13 Für den guten Ton sorgte neben dem Klavier ab September das "künstlerische Orchester", das "zu dem spannenden Inhalt u[nd] d[er] bekannt fesselnden Wiedergabe der Filmkünstlerin ein vollendetes harmonisches Ganzes erzeugen"14 sollte.

Im Mai 1921 wurde Fritz Meisel "vorsichtshalber" gekündigt.15 Anlaß waren wohl dauernde Auseinandersetzungen mit anderen Vereinen, insbesondere dem katholischen Arbeiterverein, dem in den Wintermonaten das Stadttheater für Theaterproben zur Verfügung stand. Es hatte Streitereien und böse Worte um "Lichtgeld", Benutzungsgebühr für Stühle und Bänke sowie widerrechtliche Benutzung des Klaviers gegeben. Meisel übergab die Angelegenheit dem Mieteinigungsamt am Amtsgericht Weißenhorn zur Entscheidung und legte bei der Stadt Beschwerde gegen die Kündigung ein:

"Desweiteren muss auch dem Stadtrat mitteilen, dass ich bisher gewohnt war als Mensch mit Menschen zu verkehren und verlange selbst, dass als Mensch behandelt werde, sei es von wem es wolle, das ist Gott sei Dank, das Recht eines Staatsbürgers, auch eines bayerischen, und sollten mir wieder solche abgeschmackten Äusserungen eines mir ins Gesicht hinein freundlichen Stadtratmitgliedes zu Ohren kommen, sehe ich mich leider gezwungen, diesen Herrn auch seinen Äusserungen entsprechend zu behandeln und vor nichts im rechtlichen Sinne zurückzuschrecken, es ist traurig genug, dass ich dies dem Stadtrat mitteilen muss, wenn gegen das Kino als solches eine Feindschaft besteht, so soll der Kampf mit offenem Visier geführt werden und nicht der Person des Kinobesitzers in feiger, heimtückischer Weise hinterrücks versucht werden die Ehre abzuschneiden."16


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Das Mieteinigungsamt forderte die Stadt auf, sich zu der Angelegenheit zu äußern. Diese rechtfertigte die Kündigung in einem Bericht, der der Bevölkerung von Weißenhorn keine große Kinobegeisterung bescheinigte:

"Da sich gezeigt hat, dass bei der hiesigen Einwohnerschaft kein besonderes Interesse für ein Kino besteht der Besuch des Kinos ist oft sehr flau - so besteht für den Stadtrat kein Anlass, das Pachtverhältnis über 30. 9. 21 fortzusetzen. Es ist eventuell beabsichtigt, durch eine auswärtige Schauspielergesellschaft Theaterstücke künftig aufführen zu lassen. Wenn Herr Meisel angibt, die Theaterräume zur Ausübung seines Gewerbes zu benötigen, so darf festgestellt werden, dass sich das Kinounternehmen weder bei den früheren Besitzern noch bei ihm bisher rentiert hat. Vom finanziellen Standpunkte aus muss er froh sein, dass das Pachtverhältnis demnächst beendigt wird, Meisel betreibt in München den Zigarrenhandel en gros und bestreitet durch denselben den Lebensunterhalt. Vom Kinobetrieb kann er nicht leben, da der Reinertrag desselben jeweils kaum zur Deckung der Reisekosten von München nach Weissenhorn und zurück ausreicht."17

Nachdem aber die Verhandlungen über eine ständige Bespielung des Theaters nicht zum Erfolg geführt hatten, war die Stadt bereit, es doch noch einmal für ein weiteres Jahr, bis zum 30. September 1922, an Fritz Meisel zu verpachten. Als Spieltage wurden sämtliche Sonn- und Feiertage einschließlich den Vorabenden sowie die vier Markttage festgesetzt. Für die übrigen Tage behielt sich die Stadt das alleinige Verfügungsrecht vor. Außerdem hatte sie das Recht, bei Bedarf die vermieteten Theaterräume an zwölf der festgesetzten Spieltage Vereinen zu überlassen. Zur Deckung der Kosten für "verbrauchtes Licht" wollte die Stadt von jedem Verein einen Betrag von dreißig Mark als Kaution einziehen. Für jeden Tag, an dem eine Vorstellung stattfand, sollte Fritz Meisel 15 Mark, mindestens aber 1200 Mark im Jahr an die Stadt bezahlen.18

Auf eine nochmalige Verlängerung seines Mietvertrages unter diesen erschwerten Bedingungen scheint Fritz Meisel verzichtet zu haben. Bis Ende des Jahres 1924 blieb es wohl auch um das Kino in Weißenhorn ruhig. Am 4. Dezember 1924 stellte Wilhelm Kallmeyer, der seit 1921 in Krumbach ein Kinounternehmen betrieb, ein "Gesuch um Zulassung und Genehmigung von Kinovorführungen am Platze Weißenhorn"19. Als in Frage kommendes Lokal nannte er den Saal - den ehemaligen Brauraum - des Gasthofes Zum Kreuz in der Memminger Straße, der 120 Personen Platz bot. Am 27. März 1925 wurde ihm zwar die ortspolizeiliche Genehmigung erteilt, die ihm auferlegten Bedingungen und baupolizeilichen Vorschriften ließen es ihm aber doch als ratsam erscheinen, von der Genehmigung keinen Gebrauch zu machen.**

Ein weiterer Abschnitt im Kinoleben der Stadt wurde von Heinrich Leilich geprägt. Der Schausteller, der seit 15 Jahren alljährlich über die Wintermonate in Weißenhorn Quartier bezog, stellte Anfang Januar 1927 den Antrag, vom 15.1. bis 21.3.1927 jeweils am Samstag, Sonntag und Montag im Stadttheater Kinovorstellungen geben zu dürfen.20 Er begründete seinen Antrag damit, daß er im vergangenen Sommer finanziell eine schlechte Saison gehabt habe und hoffe, sich mit den Filmvorführungen ein Zubrot verdienen zu können. Die Stadt erteilte die Genehmigung, so daß nun wenigstens für fast drei Monate die kinolose Zeit in Weißenhorn beendet war. Am 6. Dezember 1927 stellte er erneut einen Antrag, Kinovorführungen geben zu dürfen:

"Da ich auf Grund meiner vorherigen Vorstellungen anehme, daß sich das hiesige Publikum von der Sache überzeugt hat, daß nur gutes kein Kitsch zur Aufführung komt. Wäre mir sehr angenehm könte mir die einzige Verdienstmöglichkeit gewährt werden. Da ich dieses Jahr wieder eine schlechte Saison hatte. Beabsichtige vom 17. Dez. 1927 - 30. April 1928 Vorführungen zu geben. Zur Vorführung gelangen nur gute Sachen unter anderm Ben Huhr, Die zehn Gebote u.s.w." 21

Auf Leilich folgten mehrere Jahre ohne stationäres Kino, unterbrochen nur durch die Vorstellungen von Wanderkinos. Am 20. Juli 1933 wandte sich der Besitzer der Illertisser Lichtspiele, Ludwig Kassenetter, an den Stadtrat mit dem Antrag, über die Wintermonate "gute, künstlerische und anerkannte" Filme zeigen zu dürfen. Der Tonfilm hatte


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in den Kinos Einzug gehalten und die hohen Kosten für solche Filme und Anlagen machten es, so Kassenetter, erforderlich, "größere Kreise" zu ziehen, um rentabel zu sein. Für seine Vorstellungen zog auch er das Stadttheater in Betracht, zur Vorführung der Filme wollte er seine "Kofferprojektionsmaschine" einsetzen. Als Referenz für seine Person gab er an, daß sowohl sein Großvater als auch sein Vater Weißenhorner gewesen seien, und "dass u. a. selbstverständlich Filme aufgeführt werden, die in die heutige Zeit passen und von der Propagandaleitung der N.S.D.A.P. (Reichspropagandaleitung Abt. Film gez. A. Engel) speziell empfohlen sind. Außerdem hatte ich hier z. B. immer hochaktuelle anerkannte Volks-, Hochgebirgs, Vaterländische, auch Liebes-, dramatische und ähnliche Filme, wie Sie Ihnen ja bekannt sind, mit Erfolg aufgeführt. "22

Durch Stadtratsbeschluß vom 4. August 1933 wurde ihm "die ortspolizeiliche Erlaubnis zur probeweisen Vorführung von Tonfilmen in hiesigem Stadttheater"23, zunächst nur vom 16. Oktober bis zum 30. November 1933 erteilt. Dieser Zeitraum schien ihm für seine Pläne zu kurz zu sein, denn Ludwig Kassenetter bat am 21. September 1933 um Ausdehnung der Spielzeit auf die gesamten Wintermonate, was ihm anstandslos genehmigt wurde. Seinem Antrag fügte er hinzu, daß es ihm gelungen sei, "allerdings mit der Auflage grösserer Filmabschlüsse, die neuesten nationalen Filme zu bekommen mit Hitlerjunge Quex, Blutendes Deutschland, S.A.-Mann Brand, Blut und Scholle, Die elf Schillschen Offiziere, Helden der Luft, die letzten Vier (Fliegerfilm) als vaterländische Filme und ausserdem noch solche fröhlicher Art und dramatischer der Ufa."24 Daß all diese einschlägigen Filme in Weißenhorn zur Vorführung kamen, bestätigen heute noch damalige begeisterte Kinogänger. Nach dem Anbau eines Vorführraumes zog das Kino 1937 vom Stadttheater in die Turnhalle um.

Ende Mai 1946 setzten in Weißenhorn die Bemühungen um Wiederaufnahme des Kinobetriebs ein. Es waren jedoch keine Filmvorführmaschinen vorhanden und in der Stadthalle waren noch Flüchtlinge und Heimatvertriebene untergebracht. Erste Planungen zur Aufstellung von Spielplänen gingen dahin, Weißenhorn entweder mit Altenstadt oder mit Neu-Ulm zu koppeln. Um die Lizenz zur Führung eines Kinos in Weißenhorn hatten sich Karl und Ludwig Schuster beworben, die am 12. Juli 1946 von der Militärregierung als Leiter des Filmtheaters eingesetzt wurden. Der Abschluß eines Pachtvertrags und damit die Aufnahme des Spielbetriebs verzögerten sich aber immer wieder, da es dem Flüchtlingskommissar nicht gelang, die Stadthalle freizumachen. Erst am 10. Februar 1947 konnte der Pachtvertrag zwischen der Stadt und den Gebrüdern Schuster auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen werden.25

Ihren Spielbetrieb beeinträchtigte, daß sie die Halle der Stadt und auch den Vereinen für bestimmte Anlässe überlassen mußten. Als Mitspielort war den Kinobetreibern, im Gegensatz zu früheren Planungen, Senden-Ay zugewiesen worden, wo sie Anfang der fünfziger Jahre einen Kinoneubau erstellten.

Anfang 1952 begannen dann die Verhandlungen über die Verlängerung der Pachtzeit um ein weiteres Jahr. Nach zähem Ringen um den Pachtpreis lehnte der Stadtrat schließlich am 25. Januar 1952 eine Verlängerung ab und beschloß eine öffentliche Ausschreibung. Karl und Ludwig Schuster wollten sich damit nicht abfinden und erläuterten in einem Schreiben vom 7. Februar 1952, daß in Weißenhorn nur die Verbindung mit einem stationären Theater gute Filme garantiere. Und gerade durch diese Verbindung wäre es möglich, in Weißenhorn, im Wechsel mit Senden- Ay, nur sogenannte "Sonntagsfilme" zu zeigen.26

!hre Argumente schienen die Stadtväter nicht zu überzeugen. Auf die öffentliche Ausschreibung der Stadthalle hin bewarben sich mehrere Interessenten, u.a. auch der Besitzer des Lichtspielhauses Vöhringen. Um Zeit zu gewinnen, bot die Stadt Ludwig und Karl Schuster eine kurzfristige Vertragsverlängerung an, was diese mit Schreiben vom 29. Februar 1952 auch annahmen:

"Wir geben Ihnen davon Kenntnis, daß wir die Pachtverlängerung bis 26.7. [1952] annehmen, da wir überzeugt sind, daß es nicht der Wunsch des Stadtrats ist, das Filmtheater, das neben nicht unwesentlichen Einnahmen auch noch ein kulturelles Bedürfnis zu befriedigen hat,


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zu einem Versuchsobjekt zu machen, zumal es uns gelungen ist, alle Schaffenden, Flüchtlinge u[nd] Einheimische in gleicher Weise zufriedenzustellen u[nd] ihnen gute Unterhaltung zu bieten."27

Abb 3: Der erste neue deutsche Farbfilm "Schwarzwaldmädel" von 1950
 
 

Anfang Juni wurde in einer Stadtratssitzung über zwei Baugesuche verhandelt, darunter das des Weißenhorners L. Sapper und des aus Obenhausen stammenden G. Held, die ein neues Lichtspieltheater in der Kaiser- Karl- Straße in Weißenhorn errichten wollten. Dies war auch das Ende der Ära Ludwig und Karl Schuster. Ihre letzte Vorstellung in der Stadthalle von Weißenhorn gaben sie am 7. Dezember 1952.

Anfang 1953 fand die Eröffnung des neuen Lichtspielhauses statt. Es folgten mehrere erfolgreiche Jahre, in denen die Kinobesucher regelmäßig für Eintrittskarten Schlange standen. Wie viele andere Kleinstadtkinos, verlor auch das Weißenhorner Kino in den sechziger Jahren sein Publikum. 1968 schloß es nach 15jährigem Bestehen seine Pforten.


Anmerkungen

1 Registratur der Stadt Weißenhorn 313 

2 Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Stadtmagistrats vom 10. Februar 1919 sowie Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeindekollegiums vom 17. Februar 1919, wie Anm.1 

3 Ortspolizeiliche Genehmigung vom 7. März 1919, wie Anm.1 

4 Pachtvertrag zwischen der Stadtgemeinde Weißenhorn und den Inhabern der Rothtal-Lichtspiele vom 7. März 1919, wie Anm.1 

5  Rothtal-Bote, Nr. 72 vom 25. Mai 1919 

6 Rothtal-Bote, Nr. 73 vom 27. Mai 1919 

7 Rothtal-Bote, Nr 78 vom 3. Juni 1919 

8 Rothtal-Bote, Nr 81 vom 6. Juni 1919 und Nr. 82 vom 7. Juni 1919, wie Anm.1 

9 Gesuch der Rothtal- Lichtspiele vom 27. Juni 1919 um Verlängerung des Pachtvertrags, wie Anm.1 

10 Pachtvertrag zwischen der Stadtgemeinde Weißenhorn und Fritz Meisel vom 22. August 1919, wie Anm.1 

11 Rothtal-Bote, Nr 133 vom 8. August 1919 

12 Rothtal-Bote, Nr 250 vom 28. Dezember 1919 

13 Rothtal-Bote, Nr 208 vom 9. September 1920 

14 Rothtal-Bote, Nr. 217 vom 19. September 1920. Es geht bei dieser Beschreibung um den Film Die Sieger, in der Hauptrolle Henny Porten 

15 Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Stadtrats Weißenhorn vom 20. Mai 1921, wie Anm. 1 

16 Schreiben des Fritz Meisel an den Stadtrat vom 18. Juni 1921, wie Anm.1 

17 Bericht des Stadtrats an das Mieteinigungsamt vom 28. Juni 1921, wie Anm.1 

18 Mietventrag zwischen der Stadtgemeinde Weißenhorn und Fritz Meisel vom 12. August/ 11. Sept.1921, wie Anm.1 

19 wie Anm.1 

20 wie Anm.1 

21 wie Anm. 1 

22 Schreiben des Lubwig Kassenetter an den Stadtrat vom 20. Juli 1933, wie Anm.1 

23 wie Anm. 1 

24 wie Anm. 1 

25 wie Anm.1 

26 wie Anm.1 

27 wie Anm. 1 

Fur Unterstützung bei den Recherchen bedanke ich mich recht herzlich bei Wolfgang Ott M.A., dem Leiter des Weißenhorner Heimatmuseums.

* Fritz Meisel hatte sich ebenfalls in Memmingen um eine Kinokonzession beworben. Hier lehnte der Stadtmegistrat am 14. November 1919 auch seinen zweiten Antrag ab. Stadtarchiv Memmingen, BAZ 313, Kinematographen. (Anm. der Red.)

** Wilhelm Kallmeyers Kinobetrieb in Krumbach ruhte seit Mai 1925, der Besitzer selbst war nach Mindelheim gezogen. Im Januar 1926 fiel Kallmeyer bei der inzwischen vorgeschriebenen Vorfuhrerprüfung durch. Er zog dann einem Vermerk vom 10. Mai 1926 zufolge nach Dusseldorf um. Stadtarchiv Krumbach, Altregistratur EA 313, Lichtspielwesen. (Anm. der Red.)