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Verfolgt man die Darstellung der Frau im Film, so zeigt sich, bei aller
Übereinstimmung über die Rolle der Frau, eine große Variationsbreite
im Typus der Frau. Auf der Leinwand begegnen uns im Laufe der Filmgeschichte
Frauengestalten, die sowohl in ihrem Äußeren und ihrer Aufmachung
als auch in ihrem Verhalten sehr unterschiedlich sind.
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Mit unserer Filmreihe wollen wir Material bereitstellen, das verdeutlicht,
daß die Unterschiede in der Darstellung von Frauen nicht zufällig
und allein dem Prinzip der Abwechslung unterworfen sind, sondern daß
es Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und Frauentypus
auf der Leinwand gibt. Dabei ist es wichtig, sich in Erinnerung zu rufen,
daß es das Publikum ist, das über diesen Typus entscheidet.
Die Produktionsgesellschaften können nur einen bestimmten Trend vermuten
und ihn später ausbeuten. Versuche jedoch, etwa unter finanziellen
Gesichtspunkten einen neuen Typ vorzustellen oder einen alten beizubehalten,
scheiterten wie sich an Beispielen aus der Filmgeschichte nachweisen ließe.
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Weiter oben ist schon erwähnt worden, daß Zusammenhänge
zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und Frauentypus aufgezeigt werden
sollen. Auf keinen Fall soll aber eine Monokausalität behauptet werden.
Die Persönlichkeit der jeweiligen Schauspielerin, technische Entwicklungen,
Produktionsbedingungen tragen sicher zur Durchsetzung eines Typus bei.
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Die Reihe umfaßt Filme von 1927 - 1938 und soll zu einem späteren
Zeitpunkt bis in die Gegenwart fortgeführt werden. Wer sich grundlegender
mit dem Thema beschäftigen möchte, findet am Schluß Hinweise
auf Bücher, die sich mit unterschiedlichen Interpretationsansätzen
diesem Gegenstand nähern. Im Folgenden sollen nur einige uns wichtig
erscheinende Gesichtspunkte zu den vier Filmen dargestellt werden.
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"Dirnentragödie", der Film aus dem Jahre 1927 von Bruno Rahn mit Asta
Nielsen in der Hauptrolle, greift ein beliebtes Thema der damaligen Zeit
auf, die Darstellung eines verrufenen Milieus, das gleichzeitig Angst und
Neugier erregt, weil es dem bürgerlichen Zuschauer verboten und fremd
ist. Personen, die sich in dieses Milieu begeben, werden bestraft. Die
Prostituierte kann noch so großmütig sein, versuchen, ihre Menschlichkeit
nicht nur zu bewahren, sondern sich aus ihr heraus für den Studenten
aus bürgerlichem Haus zu engagieren, das tödliche Ende ist vorgezeichnet.
Der Ausbruch aus der bürgerlichen Gesellschaft, hier dargestellt am
Beispiel der Prostitution führt in die Katastrophe. Der Student, für
den diese Episode eine Art Läuterung ist, kann am Ende des Films ins
Heim, zur Mutter, in die bürgerliche Ordnung zurückkehren, weil
sein Ausbruch nur ein Fehltritt war. Die dauerhafte Verletzung dieser Ordnung
aber kann nicht geduldet werden. Nach Momenten der Unsicherheit ist die
alte Ordnung wiederhergestellt und bestätigt.
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Diesem in etlichen Variationen dargestellten Thema gewinnt der Film von
Bruno Rahn einige kritische Aspekte ab. Der Selbstmord der Prostituierten
weist auch darauf hin, daß die Gesellschaft dem Außenseiter
die Rückkehr verweigert. Aus Angst vor den "Schattenseiten" der eigenen
Ordnung muß eine unüberwindliche Mauer errichtet werden gegen
Abweichler. Das Pathos der propagierten Menschlichkeit erweist sich als
hohl; besonders, da es Asta Nielsen mit ihrer Darstellung gelingt ihr Leid
und ihr Bemühen um menschliche Verhaltensweise auch jenseits bürgerlicher
Wohlanständigkeit zu verdeutlichen und so den Zuschauer für sich
einzunehmen. Schließlich ist auch in diesem Film, wie in vielen deutschen
Stummfilmen, in denen "dämonische Frauen" auftraten, eine deutliche
Anklage gegen die Schwäche der Männer zu sehen, die Gewalt und
Lüge verkörpern.
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Mit Marlene Dietrich in "Shanghai Express" (1932) und Mae West in "Belle
of the Nineties" (1934) stellen wir zwei Frauen vor, die beide mit einem
ihnen eigenen Mythos verwoben sind. Erscheint Marlene in ihren Filmen geheimnisvoll,
das Wesen der Frau verklärend und mit einer gewissen distanzierten
androgynen Erotik, so wirkte Mae West draufgängerisch, mit zynischem
Wortwitz bringt sie ihre Wünsche und ihren erfrischend wirkenden Sex
Appeal an den Mann. Marlene Dietrich ist verführerisch anziehend,
Leidenschaft versprechend und erweckt tausendfache Sehnsüchte nach
(ihrer) Weiblichkeit, die sie als ihr gebieterisches Privileg begreift,
sie erscheint als Sinnbild der Selbstbestimmung und der Faszination, doch
sie ist unerreichbar unter wissender Maske. (Sie pervertiert in all ihren
Filmen mit Sternberg die Ordnung der Männer, die ihren zugespitzten
Ausdruck immer in der Ordnung des Militärs findet.)
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Mae West ist sich ihrer eigenen erotischen Avancen sehr bewußt, sie
verspricht Vergnügen, frei von puritanischen Bedenken und romantischen
Illusionen, verläßliche Weiblichkeit. Sie sucht den individuellen
sozialen Aufstieg über Männer mit Zukunft, unabhängig und
selbstbestimmt, jedoch so scheint es mit männliche Methoden, Anerkennung
innerhalb der männlichen Gesellschaft suchend, aber sie will keine
Veränderung derselben. Bei beiden Frauen wird im Film klar, daß
sie aus unteren Verhältnissen kommend sich ihren Weg nach oben bahnen,
als erotische und selbständige Frauen, dabei ist die Ehe allenfalls
Nebenprodukt, die bürgerliche Moral wird zersetzt. Nach der Weltwirtschaftskrise
ist die eigenständige Frau zwar nicht mehr gefragt, sie soll ihre
Sicherheit wieder bei einem Mann suchen, jedoch waren die "Liebesgöttinnen"
hier auf dem Höhepunkt ihres filmischen Erfolgs, was zweifellos einer
Verschleierung und Entfernung von politischer Realität zupaß
kam.
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Katherin Hepburn in dem Film "Leoparden küßt man nicht" (1938)
weist die Eigenständigkeit ihrer Vorgängerin nur noch in Maßen
auf. Vor allem das Ziel ist anders. Katherin Hepburn spielt ein exzentrisches
Mädchen aus der oberen Mittelklasse, das alles daran setzt einen vertrottelten
Anthropologen (Gary[!] Grant) zu heiraten.
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Sie ist nicht der Frauentyp, der still duldet und wartet bis sie irgendwann
geheiratet wird, sondern sie nimmt die eigene Sache in die Hand. Aus dem
Bild der Frau auf der Leinwand ist noch nicht völlig das Bild Marlene
Dietrichs und Mae West verschwunden. Die Dialoge sind witzig und aggressiv.
Katherin Hepburn läßt sich durch ihre Tollpatschigkeit in keiner
Weise irritieren und oft erscheint sie als die einzig Vernünftige
in einer verrückten Umwelt. Aber das alles hat ein Ziel: die Ehe.
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Nach der Auflösung überkommener Moralvorstellungen in der Depressionszeit
wird die alte Moral wieder restauriert. In modifizierter Form erhalten
Mann und Frau die angestammten Rollen zurück.
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Bücher:
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Hans Scheugl Sexualität und Neurose im Film. Die Kinomythen
von Griffith bis Warhol. Hanser Verlag, 1974
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Seeßlen und Weil Ästhetik des erotischen Kinos.
Eine Einführung in die Mythologie, Geschichte und Theorie des erotischen
Films. Roloff und Seeßlen Verlag, München, 1978
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Gisela von Wysocki Die Fröste der Freiheit. Aufbruchsphantasien.
Syndikat Verlag, 1980